Betula pendula – Betulaceae
Die Birke ist der Baum, der am weitesten nach Norden vordringt. Er kommt noch weiter nördlich vor als die Kiefer. Es handelt sich dann allerdings nicht mehr um die bei uns häufige Sand- oder Hängebirke (Betula pendula) sondern um die Moorbirke (Betula pubescens). Es ist der am weiteten nördlich vorkommende Baum nicht das am weitesten nördlich vorkommende Gehölz. Da gibt es noch etliche zwergig wachsende Büschlein und über den Boden kriechende Gehölze (Vaccinium, Arctostaphyllos, Loiseleurea).
In unseren Wäldern gilt die Birke eher als Unkraut. Ich habe es noch erlebt, wie ein Besenmacher, Birken im Wald fällte und später aus den feinen Zweigen Besen gebunden hat. Übrigens keine schlechten Besen, wenn es darum geht, den Platz vor dem Haus zu kehren. Das Holz wurde zu Scheiten verarbeitet, und in der Stadt als Kaminholz verkauft. Die etwas gröberen Besen bekamen der Nikolaus und Knecht Ruprecht zum Kinder züchtigen und zum geschmückt werden mit Süßigkeiten oder die Hexen zum Fliegen.
Wir Kinder haben im zeitigen Frühjahr, kurz vor dem und während des Laubaustriebs, die Rinde mit einem Messer angeschnitten und den austretenden, süßen Saft geschleckt. Genauso wird auch das in den fünfziger Jahren zur Haarpflege beliebte Birkenwasser gewonnen. Das gab’s in Literflaschen mit einem entsetzlich aufdringlichen Parfum und Alkohol versetzt.
In Finnland habe ich gelernt, das man sich mit frisch geschnittenen Birkenzweigen während des Saunens auspeitscht. So sieht es zumindest aus. Die vielen Wirkstoffe in den Blättern frischer Zweige wirken wohltuend und belebend.
Schon die Menschen der Steinzeit haben aus dem Saft der Birke das Birkenpech hergestellt. Es diente als Klebstoff, mit dem Steinspitzen an Speere und Pfeile befestigt wurden.
Die in feinen, papiernen Fetzen abblätternde Rinde eignet sich hervorragend dazu, ein Feuer anzufachen.
In Finnland habe ich mir unter anderem ein Messer gekauft, dessen Holzgriff fein, unregelmäßig gemasert ist. Dazu werden sog. Maserbirken verwendet. Das sind ganz normale Birken, die jedoch von einem Virus befallen sind, der Unregelmäßigkeiten im Wachstum und Verfärbungen im Holz verursacht. Die Maserbirke liefert auch Furniere für wertvolle Holzgegenstände. Damals liefen gerade forstwirtschaftliche Versuche, Bäume künstlich mit diesem Virus zu infizieren. Dieses Maserholz ist nun mal um Potenzen wertvoller als das schnöde Birkenholz. Letzteres brennt gut und das meist mehr oder weniger rauchfrei und wegen der darin enthaltenen ätherischen Öle sogar in noch feuchtem Zustand.
Im unwirtlichen Norden Europas gibt es an alten Wegen in großen Abständen Holzhütten, in denen man sich trocknen und aufwärmen oder nächtigen kann. An die Hütte gelehnt findet man immer einen Stoß Birkenscheite, die dazu dienen, den Ofen in der Hütte ordentlich heizen zu lassen. Es gehört zur Selbstverständlichkeit, dass man am nächsten Morgen in den Wald geht, eine oder mehrere Birken schlägt und die verfeuerten Holzscheite wieder ersetzt. Eine Sitte, die bei Temperaturen von unter – 25°C Leben rettet. Ein scharfes Messer und eine kleine Axt am Gürtel getragen gehören zur Grundausstattung des die Wälder durchstreifenden Finnen nördlich des Polarkreises. Zur Grundausstattung jedes Mitteleuropäers, der die frostfreien Tage bevorzugt, empfiehlt sich im gesamten, so wasser- und seenreichen Land ein wirkungsvolles Mittel gegen die Mückenplage.
Der Habitus von Birken kann recht unterschiedlich ausfallen. Sie können sparrig wachsen oder eben auch mit solch lang herunter hängenden Zweigen; mit dem gelb verfärbten Laub geradezu ein Goldregen.
Als ich in einem Haus wohnte, dessen Hinterhof mit Birken bewachsen war, habe ich mir im Frühjahr die zusammen mit dem verrottenden Laub schon zu Humus verfallenden Fruchtstände in einen Eimer geschaufelt und diese Mischung mit bestem Erfolg als lockere, wasserdurchlässige, atmungsaktive und mit Mykorrhizza versetzte Blumenerde verwendet.
Vor der Frucht aber gibt es die Blüte. Da machen sich die länglich herum schlackernden männlichen Blütenkätzchen bei einem Teil der Menschheit sehr unbeliebt, wehen aus ihnen doch millionenfach Allergien auslösende Pollen.
Die ungewöhnliche, weiße Rinde halte ich wie den Zuckergehalt des Saftes, der vor Eisbildung schützt, für eine Anpassung an nördlich kalte Regionen. Die weiße Rinde heizt sich unter der im Sommer permanenten Sonnebestrahlung nicht so sehr auf wie es bei dunkleren Rinden geschähe. Dadurch muss der Baum nicht unter zu hohen Temperaturschwankungen leiden.
Nicht nur bei Hermann Löns kommen sie sogar in der Literatur vor. Für unsere Heidelandschaften sind sie kennzeichnend.