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Channel: Richard Gleim – gnogongo
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Shvantz Festival in Wetzikon bei Zürich

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Wann war das noch? 1980, 1981, 1984? Ich weiß es nicht mehr. Nun gut, ich war dort eingeladen. Diesmal nicht als Beobachter sondern als Akteur. Ich fand einen grauen schmutzigen Raum vor, dem es nicht an Ölspuren und Wasserlachen mangelte. Die bestellten Lautsprecher und die bestellte Leinwand gab es nicht. Auch ein Filmprojektor fehlte und ließ sich auch nicht auftreiben. Als hätte ich es geahnt, hatte ich einen Eimer mit weißer Farbe, Pinsel und Quast dabei. Schnell war eine Wand geweißt. Dort sollte mein Film ‚Geh’ zu sehen sein. Zwei kleine Lautsprecherboxen hatte ich auch im Gepäck. Mein eigener kleiner Filmprojektor versorgte die Boxen mit ausreichend lautem Sound, der Dank der Nacktheit des Raums überzeugend lärmte. Schnell hatte ich längs der übrigen Wände Wäscheleinen gezogen und konnte  mit den mitgebrachten Wäscheklammern meine auf DIN A3 gezogenen Fotos aufhängen.

Nebenan bemalte Achim Lukat die Wände seines Raums und Moritz Rrrr und padeluun kamen auch vorbei.

Wenn man selber aktiv ist, kommt man kaum dazu, sich umzusehen, was die Anderen machen. Das Verhältnis zu den anderen war im Ganzen freundlich kollegial aber es kamen auch Momente der Konkurrenz vor. War halt keine Veranstaltung, über der das Peace-Zeichen schwebte.

Ich mochte meinen Raum und das Schweizer Fernsehen hat sich dort satt gesehen.

Doch noch eine Episode zu meinem ‚geh’-Film. Das Sujet sind Passanten, wie sie mit der Rolltreppe am Heinrich-Heine-Platz in den Untergrund fahren. Der Sound ist live und wird vom Baulärm, der auf der damaligen Riesenbaustelle am Heinrich Heine Platz und der Heinrich Heine Allee herrschte, bestimmt. 1980 fungierte ich als Haus-und Hoffotograf der Festspiele der Filmemacher, welche in Düsseldorf. Duisburg und Oberhausen stattfanden. Auf diesem Festival sollten auch Filme von Amateuren gezeigt werden. Die Festivalleitung hatte Schwierigkeiten, genügend Filme zusammen zu bekommen. So gab ich auch meinen Film in deren Hände, expressis verbis als Notnagel, wenn nicht genug zusammenkommen sollte und sagte ihnen, dass der Film nur am Ende gezeigt werden dürfe, damit die Zuschauer den Raum verlassen könnten, ohne etwas zu verpassen, wenn ihnen das Machwerk nicht gefiel. Was aber machten die Trottel? Sie zeigten ihn mitten im allgemeinen Ablauf. Der Film des Haus- und Hoffotografen musste doch gezeigt werden. Es geschah was geschehen musste. Während alle anderen Filme aller Kunst der Dramaturgie entsprachen und sorgfältig geschnitten daher kamen, war der meine eine Provokation. Das Publikum murrte und schließlich wurde der Film mitten im filmischen Geschehen abgesetzt. Das erfuhr ich, als ich mit Schlöndorff kurz das Kino besuchte und nach dem Verlauf der Vorführungen fragte.

Das muss sich wie ein Lauffeuer in Kreisen der Filmemacher rumgesprochen haben. Auf einmal war mein Film in aller Munde und wurde über den grünen Klee gelobt. Keiner der Filmemacher hatte ihn je gesehen. Der Film wurde zu einem Phantom, zu einem Mythos. So kann’s gehen.

Später war er dann verschollen. Eine Aufführung in einem Szene-Café neben dem Metropol in Berlin schien er nicht überlebt zu haben. Der Film war verschollen. Nach einem Jahr hatte ich mich damit abgefunden. Doch nach 2 Jahren tauchte er wieder auf. Bei einer wohl seltenen aber intensiven Reinigungsaktion in dem Café wurde er hinter einen Heizkörper gerutscht entdeckt und mir zugesandt. Inzwischen ruht er als DVD in einem meiner Schränke.  Dort ist er gut aufgehoben und kann so sein Dasein als Mythos fristen.


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